Die Wissenschaftsstadt Darmstadt und ihre Projektpartner haben das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderte Projekt „Kooperative Leitzentrale – Reallabor Nieder-Ramstädter Straße“ abgeschlossen. In einer Pressekonferenz stellte Mobilitätsdezernent Michael Kolmer gemeinsam mit dem Mobilitätsamt und der Geschäftsleitung der Yunex Traffic die Ergebnisse des Förderprojekts und die Bedeutung des Ampelphasenassistenten für das Verkehrssteuerungssystem in Darmstadt vor.
„Nach Bekanntwerden des sogenannten ‚Dieselskandals‘ im Jahre 2017 hatte sich die Wissenschaftsstadt Darmstadt erfolgreich um Fördermittel aus dem von der Bundesregierung ins Leben gerufenen ,Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020‘ zur Erarbeitung eines ‚Green City Plans‘ beworben – mit dem Ziel, die Stickoxidbelastung deutlich zu reduzieren“, erläuterte Kolmer. „Im Zusammenwirken einer Vielzahl von städtischen Beteiligten unter Federführung des Umweltamts wurde daraufhin ein Green City Plan mit mehr als 200 Einzelmaßnahmen entwickelt. Auf dieser Basis haben das Mobilitätsamt, die Digitalstadt Darmstadt und HEAG mobilo Projekte entlang der Förderrichtlinie ‚Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme‘ des Bundes auf den Weg gebracht. Eines davon ist die Kooperative Leitzentrale mit dem Ampelphasenassistenten“, so Kolmer.
Bei der Beantragung der Förderprojekte standen sechs ,I‘ im Vordergrund: Mit den richtigen Ideen sollen Impulse für die Mobilitätswende gegeben werden. Das setzt voraus, dass Investitionen in Infrastruktur erfolgen und dann zielgerichtete Instrumente eingesetzt werden, um spürbare Ergebnisse zu erreichen und Innovationen auf die Straße zu bringen.
Auf der Basis eines von der Stadt und HEAG mobilo genutzten Echtzeit-Verkehrsleitrechners wurden in der Nieder-Ramstädter Straße weiterentwickelte Lichtsignalanlagen und Ampelsysteme an acht neuralgischen Kreuzungen erprobt und dauerhaft eingesetzt. „Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht überzeugend. ÖPNV und motorisierter Individualverkehr (MIV) werden synchronisiert. Die Gesamtfahrzeit auf der Strecke wurde für den ÖPNV von rund 300 auf 160 bis 180 Sekunden reduziert. Teilstrecken konnten zur Lärmminderung und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Tempo 30 (vorher Tempo 50) ausgeschildert werden. Und das ohne Qualitätsverlust im ÖPNV, denn die Reisezeit war zuvor häufig deutlich langsamer. Die erzielten Effekte wurden wissenschaftlich evaluiert und von der Hochschule Darmstadt bestätigt“, betont Kolmer.
Die neue Verkehrstechnik und der multimodale, digitale Verkehrssteuerungsansatz auf der Hauptstrecke Nieder-Ramstädter Straße werden im Rahmen des Schwesterprojekts DAnalytics parallel und sukzessive auf die weiteren 21 definierten Hauptstrecken und damit auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet. In Kombination mit weiteren Maßnahmen kann so nachhaltig und gleichzeitig eine Reduktion der Luftschadstoffe (insbesondere NO2) und des Lärms sowie ein Beitrag zum Klimaschutz (Reduktion CO2) und zur Verkehrssicherheit erreicht werden.
In der Folge ist 2021 der multimodale Ampelphasenassistent ausgeschrieben worden. Multimodal insbesondere deshalb, weil neben dem ÖPNV und MIV auch den Radfahrerinnen und -fahrern ein Instrument zur flüssigen Teilnahme an der Mobilität auf der Straße an die Hand gegeben wird. Da Darmstadt als Ergebnis jahre- bzw. jahrzehntelanger konsequenter Digitalisierung und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur über ein Verkehrssteuerungssystem verfügt, das in Echtzeit Informationen über Ampelphasen und Verkehrssituationen an Kreuzungen liefert, ist der Ampelphasenassistent für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer von hoher Qualität. Zusätzlich wurden alle Kreuzungen in Darmstadt für die spätere stadtweite Anwendung auf die reale Situation vor Ort überprüft. Die gleichberechtigte Teilhabe am Verkehrsgeschehen stand im Fokus. Daher gibt es für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer spezifische Ansichten und Fahrempfehlungen (u.a. Richtung, Fahrspur, empfohlene Geschwindigkeit).
Der Ampelphasenassistent wird als App (APHA) in einer Testversion bereits in einem Testring inklusive der Nieder-Ramstädter Straße eingesetzt und optimiert. Die App wird am Ende des ersten Quartals 2023 für alle Nutzerinnen und Nutzer in Darmstadt in den App-Stores zum Download verfügbar sein. Für den ÖPNV gibt es dann eigene spezifische Anzeigen, für den MIV ist neben der Nutzung als App eine eigenständige Integration in die Fahrzeugnavigation (z. B. über Apple Car Play oder Google Android Auto) vorgesehen. Für Radfahrerinnen und -fahrer wurde eine eigene Benutzeroberfläche in der App gestaltet, um die Verkehrssicherheit und Nutzbarkeit zu gewährleisten. In der Betriebsphase besteht eine stetige Rückkopplung mit der DAnalytics-Datenplattform, so dass der Entwickler und Betreiber, die Yunex Traffic, durch Einsatz künstlicher Intelligenz die App laufend weiterentwickeln und optimieren wird. „Die Mobilität in unseren Städten nimmt zu und so auch die Belastung der Umwelt und der Straßen durch erhöhtes Verkehrsaufkommen. Intelligente Verkehrssysteme wie der Ampelphasenassistent können dem entgegenwirken, indem sie eine situationsgerechte Verkehrsnutzung ermöglichen. Wir freuen uns deshalb sehr, dass wir dieses spannende Projekt gemeinsam mit der Wissenschaftsstadt Darmstadt realisieren dürfen und damit einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren und effizienten Mobilität in der Stadt leisten”, so Stefan Eckert, Geschäftsleitung Yunex Traffic Deutschland.
„Die Wege zur Mobilitätswende und damit zu mehr Klima-, Umwelt- und Lärmschutz führen über eine intelligente, digitalisierte Infrastruktur und über die gleichberechtigte Beteiligung der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer – sei es im Auto, auf dem Fahrrad, im ÖPNV oder zu Fuß. Die langjährigen Investitionen in die Digitalisierung des Verkehrsmanagements in Darmstadt tragen Früchte und diese werden mit Abschluss dieses Förderprojekts sichtbar: Im Reallabor haben wir die kooperative Verkehrslenkung in Echtzeit erprobt und können diese nun stadtweit ausrollen. Per App und umweltschonenden Grünzeitprognosen kommen die Darmstädterinnen und Darmstädter künftig schneller in und durch die Stadt – aber nicht nur im Auto, sondern auch im ÖPNV und mit dem Fahrrad. Das war und ist uns besonders wichtig. Und manchmal ist weniger mehr oder langsamer schneller: Trotz neuer Streckenzüge mit Tempo 30 kommen die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer fast 50 Prozent schneller durch das Testgebiet – ohne Reisezeitverlust im ÖPNV. Die APHA-App unterstützt ein entspannteres Mobilitätsverhalten aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer durch informative und mitnehmende Echtzeit-Verkehrslageinformation. Es geht also darum, künftig in Darmstadt immer zu wissen, wann rot-gelb-grün ist und dass der Verkehr sicher, zuverlässig und umweltoptimiert gestaltet wird“, so Kolmer abschließend.
Die reale Testphase beginnt am 17. Januar 2023 auf einer eigens gestalteten Teststrecke – einem Rundkurs, der die Nieder-Ramstädter Straße einschließt. So wird nachhaltige Mobilität erfahrbar.